Jedes Jahr dasselbe Szenario: Es ist Oktober, die E-Shops planen ihre Black-Friday-Kampagnen – und plötzlich fragt jemand: „Hält unsere Cloud-Infrastruktur das aus?“ Es gibt kaum etwas Bittereres, als Millionen ins Marketing zu investieren und im November zuzusehen, wie die Plattform unter dem Kundenansturm einknickt.
„Es ist besser, Leistung zu haben und sie nicht zu brauchen, als sie zu brauchen und nicht zu haben“, sagt Ondřej Flídr, Senior Infrastructure Administrator bei vshosting.
Auf Daten statt auf Bauchgefühl setzen
Harte Zahlen sind die Basis jeder Saisonvorbereitung. Wer seinen E-Shop schon länger betreibt, hat Zugriff auf wertvolle Daten aus den Vorjahren – etwa Traffic-Entwicklung, Bestellvolumen oder Kampagnen-Effekte. Falls diese fehlen, sollte man spätestens jetzt mit der Datenerfassung beginnen.
Praxis-Tipp: Plane lieber mit dem Zehnfachen deines normalen Traffics als mit optimistischen Schätzungen. „Ich habe erlebt, wie ein E-Shop allein daran gescheitert ist, dass er den Versand von E-Mails nicht bewältigen konnte“, erinnert sich Ondřej Flídr an einen Fall mit einer unterdimensionierten Lösung.
Wenn vertikales Skalieren nicht mehr reicht
Läuft dein Shop auf einem einzelnen Server und stößt dieser an seine Grenzen, ist vertikales Skalieren die schnellste Option: stärkere CPU, mehr RAM oder schnellere Disks. Vorteil: schnelle Umsetzung, keine Anpassung der Anwendung notwendig.
„Wir halten bei vshosting Hardware immer auf Lager. Der Server wird nachts kurz heruntergefahren, aufgerüstet und läuft nach einer halben Stunde wieder mit neuer Power“, erklärt Václav Skála. Das Problem: Irgendwann sind die Hardware-Limits erreicht – oder die Software kann zusätzliche Ressourcen nicht effizient nutzen.
Software als Limit
Mehr Leistung hilft nicht immer. Redis läuft zum Beispiel single-threaded, zusätzliche CPU-Kerne bringen also nichts. Elasticsearch wiederum kann aufgrund des Java-Speicher-Managements nicht mehr als 32 GB RAM effizient nutzen.
„Ich habe einen Fall gesehen, in dem eine Anwendung Locking in memcachi genutzt hat – mit einem Key, der die gesamte URL enthielt. Alle Anfragen auf dieselbe URL standen dann hintereinander in der Warteschlange“, so Václav Skála.
Kurzfristige Lösung: Rollen trennen
Reicht ein Server nicht mehr und lässt er sich nicht weiter aufrüsten, hilft das Auslagern der Datenbank auf einen separaten Server. Einfach, schnell, und die Anwendung bleibt nahezu unverändert.
„Damit kaufst du dir etwa ein Jahr Zeit“, warnt Václav Skála. „Sobald du weitere Komponenten wie Elasticsearch trennen musst, sind es nur noch Wochen.“
Nachteil: Die Ausfallsicherheit sinkt – fällt einer der Server aus, steht alles still.
Langfristige Lösung: Cluster-Architektur
Für nachhaltig wachsende Shops ist ein Umstieg auf Cluster-Architektur die einzige sinnvolle Option. „Wenn ein Server im Cluster ausfällt, passiert nichts. Fällt dagegen der einzige Server in einer Single-Setup-Lösung, ist deine Saison vorbei“, fasst Václav Skála den entscheidenden Vorteil zusammen.
Bausteine eines modernen E-Shop-Clusters
- Load Balancer Einstiegspunkt mit öffentlicher IP SSL-Terminierung und Load Balancing Caching statischer Dateien Oft auch VPN-Zugang
- Applikationsserver Hier läuft der Shop (z. B. PHP, Node.js) Stateless (Sessions in Redis, nicht auf Disk) Skalierbar durch zusätzliche Instanzen
- Datenbank-Server Master-Slave- oder Multi-Master-Replikation Jeder Server muss die Last des gesamten Clusters stemmen können Achtung vor Replikationsverzögerungen
- NoSQL-Server Redis für Sessions und Cache (idealerweise getrennt) Elasticsearch für Suche (getrennt vom Logging)
Belastungstests sind Pflicht
Ohne Lasttests keine Sicherheit:
Performance-Tests prüfen, ob die Infrastruktur definierte Last aushält. Stresstests zeigen, wann das System zusammenbricht.
„Lieber im Sommer im Test crashen als im Dezember im Live-Betrieb“, betont Ondřej Flídr.
Auch externe Schwachstellen beachten
Selbst perfekte Infrastruktur kann durch externe Systeme ausfallen:
ERP-System: Hält es Tausende Bestellungen pro Stunde aus? Mailing: Blockieren Antispam-Filter bei plötzlichem Versandanstieg? Payment-Gateways: Haben sie genug Kapazitäten für deine Kampagne?
„Replikation ist schön – bis der Master ausfällt und der Slave mit veralteten Daten nicht hinterherkommt“, warnt Václav Skála.
Praktische Tipps für die Saison
Datenbanken & Replikation Nur InnoDB-Tabellen für MariaDB Alle Tabellen brauchen einen Primary Key Große Operationen in kleinere Schritte aufteilen Mit Ausfällen während Replikations-Reparaturen rechnen
Redis-Optimierung Sessions und Cache strikt trennen Sessions: kein Memory-Limit, aber mit Ablaufzeit Cache: Memory-Limit mit automatischem Löschen ältester Daten KeyDB als Alternative prüfen
Elasticsearch-Spezifika Max. 32 GB Java Heap Faustregel: 20 Shards pro GB Speicher Suche und Logging auf getrennte Cluster legen
Disaster Recovery – wenn alles schiefgeht
Auch bei bester Vorbereitung können Fehler passieren – menschlich, softwarebedingt oder durch ein Datacenter.
Wichtig sind daher: Backup-Szenarien inkl. zweitem Standort Regelmäßige Backups mit getesteter Wiederherstellung Notfallprozesse für schnelle Reaktion 24/7-Kontakte zu allen wichtigen Partnern
Checkliste für deine Vorbereitung
Datenanalyse – realistische Einschätzungen auf Basis von Erfahrungswerten Lasttests – Performance & Stresstests mit realistischen Szenarien Infrastruktur – Vertical Scaling oder Cluster-Umstieg Externe Systeme – ERP, Mailing, Payment prüfen Backup-Pläne – zweiter Standort & Disaster Recovery
Fazit: Sommer ist die letzte Chance
Die Saison vorzubereiten, bedeutet nicht nur Technik. Es ist eine Investition in Ruhe, Stabilität und die Sicherheit, dass deine Marketingkampagnen im Herbst auch wirklich Früchte tragen.
„Wenn du die Datenbank auslagerst, gewinnst du ein Jahr. Wenn du weitere Komponenten trennst, nur noch Wochen. Irgendwann holt es dich ein“, resümiert Václav Skála.
Nutze daher den Sommer, um in eine Cluster-Lösung zu investieren, die mit deinem Business wächst.
Wenn du unsicher bist, ob deine aktuelle Lösung für den Herbst ausreicht, melde dich am besten jetzt bei uns: beratung@vshosting.de – und sichere dir genügend Zeit für Planung, Tests und Anpassungen, bevor es ernst wird.